Labsaal
IG-Blech Brassband
 

Freitag: Die Ost-West-Wochenzeitung  22

25.05.2001

Ulrike Baureithel

I.(NSTRUMENTAL) G.(ENIALES) BLECH

BERLINER ABENDE

Normalerweise treffen wir uns allfrühjährlich auf dem Kreuzberg. Zusammengetrommelt nicht etwa von Stefan, Thomas oder Silke, die über die Schlegel herrschen, sondern von den modernen weltweiten Buschtrommeln und gelegentlich vertagt von einem unwilligen Wettergott sammeln sich Fans und Zufällige auf der Plattform, behängt mit wohlgefüllten Picknickkörben und Decken. "Frühlingsanblasen" nennt die Truppe in heidnischer Reminiszenz diesen Zauber, der zumindest im alten SW 61 schon eine gewisse Tradition hat. Wenn dann Peter die Trompete ansetzt, gefolgt von Detlef, Albert und Bernd, wenn sich das Saxophonistensextett einmischt, um vielstimmig den Posaunen Resonanzraum zu geben, dann ist kein Halten mehr bei den Kids, die coram publicum ausgelassen über den Rasen hüpfen und ihre teilweise schon etwas angegrauten Eltern mitreißen.

In diesem Jahr habe ich auf den Ruf zum Kreuzberg allerdings vergeblich gewartet. Dafür flimmerte kürzlich eine Einladung im mail-Kasten, die aufforderte, besagtes Picknick nach Tiergarten zu verlagern, in das Jugendzentrum "Pumpe", von wo die Band den ultimativen Sprung in die Professionalität wagen will und für die CD-Aufnahme den applaudierenden Background benötigt.

"Najaa... das war schon ganz schön, aber noch ein bisschen mehr Engagement, bitte ..." Andreas probt nicht nur die instrumentelle Einstimmung der rund zwanzigköpfigen Bläser, sondern auch die der Claqueure. Nörgelnd erklärt er uns für reichlich schlaffe Säcke, völlig ungeübt im akzentuierten Kanon von Klatschen, Pfeifen und Trampeln. Wir zwei Dutzend, die die abendliche Erfolgsgarantie des Konzerts übernommen haben, geben uns redlich Mühe. Nach anfänglicher Irritation verstärken ein paar versprengte Zufallsgäste aus dem Jugendzentrum die älteren Semester. "Konzentriert, dynamisch, jugendlich!" spornt Andreas weiter an. Gemessen nickend kehrt er uns den Rücken, dreht sich der streng nach Geschlechtern getrennten Band zu: Es kann losgehen. Und wie!

Federnder Samba, afrikanischer Grove, katalonischer Saradana, jüdischer Klezmer und was der Exotik mehr ist, steht auf dem Programm von I.G. Blech . Und die alten Fans kennen die Ohrwürmer bereits beim ersten Ton, heben lauschend die Köpfe, bis der Rhythmus übergeht ins Blut, um spastisch mit den Glieder zu zucken, den Rumpf kreisen zu lassen. Was auf dem Kreuzberg allerdings einfacher ist als unter Aufnahmebedingungen, wenn die heavymessingworldmusic den Leib hochheben und in die rhythmische Steinzeit katapultieren möchte.

In der astreinen Schräge von La Paloma allerdings, gerade an der Stelle, wo die Sonne im Meer versinkt, schlägt das Gfuih, wie man in Bayern sagen würde, voll aus, jagt durchs Blech, quietscht erbärmlich, um mit einem elegischen Seufzer zu verenden. Hermann Anders, der eigens für diesen Abend engagierte Gastdirigent, ist unerbittlich. Also pumpen Lungen erneut, blasen Backen, neigen sich Münder - und beim zweiten Anlauf wird die truppenspezifische Ironiekurve ohne Patzer genommen.

Zwischendurch macht Andreas auf Instrumentenkunde und Gruppengeschichte, und wer ein Alt- von einem Sopran- oder Baritonsaxophon nicht unterscheiden kann, dem bleiben noch 100 Punkte bei Maxens Tuba, die mit Haralds Klarinette zu den Senioren gehört, will heißen Gründerinnen der Kapelle sind und deren auch leiblichen Klangkörper beträchtlich steigern. Die Wurzeln der Blechgruppe reichen zurück in die linksbewegten siebziger Jahre, als Das Rote Signal noch mit vielen falschen Tönen die politisch korrekte Musik machte und darüber gestritten wurde, was vom "bürgerlichen Erbe" man übernehmen könne. Karin mit der Piccolo jedenfalls erinnert mich frappant an einen linkskonkurrenten Spielmannszug, in dem meine jüngere Schwester und ich vor einem Vierteljahrhundert eben diese Art von Volksaufklärung betrieben.

Heute findet man I.G. Blech zwar immer noch mal auf Demos, vor allem, wenn es gegen Rassismus geht, doch die linksgestrickte Trennung von E und U - ernste Politik, verpönte Unterhaltung - hat man längst überwunden: Gespielt wird vor allem, weil es Spaß macht.

Das "woarme Gfuih im Herzen" stellt sich nun auch beim Publikum ein, tosender Applaus und Füßetrampeln belohnen den atemraubenden Einsatz auf der Bühne. "Wahrscheinlich verkaufen die den Applaus an eine Sitcom", lästert mein Begleiter und brüllt trotzdem begeistert.

Am Schluss startet Carsten im allerdings nur unvollständig zitierten Beiwagen-Outfit der zwanziger Jahre seine Sängerkarriere. Präzise händewedelnd wie ein Verkehrspolizist. Dabei wurde einst im Programm versprochen: "Das allerbeste ist: Sie singen nicht!"

 

 

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18.03.2004 - Lokales - Seite 28

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